Exchange Traded Funds (ETFs) haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten von einer Nischenanlage zu einem der beliebtesten Investmentinstrumente entwickelt. Mit einem weltweiten verwalteten Vermögen, das 2025 erstmals die Marke von 12 Billionen US-Dollar überschreiten könnte, dominieren ETFs die Finanzmärkte wie nie zuvor. Doch dieser Boom hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie Anleger investieren, sondern auch die Funktionsweise der Märkte selbst. Besonders die Frage, wie ETFs die Preisbildung an den Märkten beeinflussen, steht im Fokus von Diskussionen unter Ökonomen, Regulierungsbehörden und Investoren.
Entwicklung von ETFs weltweit
ETFs: Das Fundament der passiven Revolution
ETFs bieten Anlegern die Möglichkeit, mit geringen Kosten in ganze Indizes oder Themen zu investieren, ohne einzelne Aktien auswählen zu müssen. Sie folgen passiv einem zugrunde liegenden Index wie dem S&P 500 oder dem MSCI World, und ihre Beliebtheit ist auf folgende Vorteile zurückzuführen:
• Breite Diversifikation: Anleger können in hunderte oder tausende von Unternehmen mit nur einem Produkt investieren.
• Geringe Kosten: ETFs sind in der Regel günstiger als aktiv gemanagte Fonds.
• Flexibler Handel: Wie Aktien können ETFs während der Börsenzeiten gehandelt werden.
Diese Eigenschaften haben ETFs nicht nur für Privatanleger, sondern auch für institutionelle Investoren attraktiv gemacht. Doch was passiert, wenn ein erheblicher Teil des Kapitals passiv in ETFs fließt? Die Auswirkungen auf die Preisbildung an den Märkten sind komplex und kontrovers.
Wie beeinflussen ETFs die Preisbildung?
Die Preisbildung an den Finanzmärkten basiert auf Angebot und Nachfrage, gesteuert durch individuelle Bewertungen von Investoren. Doch der Boom von ETFs hat die Mechanismen, die hinter diesen Bewertungen stehen, verändert.
1. Weniger Einzelanalysen, mehr Indexkäufe
Traditionelle aktive Anleger analysieren Unternehmen individuell, um Aktien zu kaufen, die sie für unterbewertet halten, und jene zu meiden, die sie für überbewertet halten. Diese aktive Preisfindung ist entscheidend, um „faire“ Marktpreise zu gewährleisten.
Bei ETFs hingegen kaufen Anleger ganze Indizes oder Körbe von Aktien, unabhängig von deren individueller Bewertung. Der Fokus liegt nicht auf einzelnen Unternehmen, sondern auf der Performance des gesamten Index. Das bedeutet:
• Aktien in beliebten Indizes profitieren von einer konstanten Nachfrage, unabhängig von ihrer individuellen Performance.
• Unternehmen, die nicht in Indizes enthalten sind, können an Aufmerksamkeit und Kapital verlieren.
Das Ergebnis ist eine mögliche Verzerrung der Preisbildung, bei der Aktien in großen Indizes überbewertet sein könnten, während kleinere oder nicht vertretene Unternehmen unterbewertet bleiben.
2. „Index-Effekt“: Ein Teufelskreis für bestimmte Aktien
Der „Index-Effekt“ beschreibt ein Phänomen, bei dem die Aufnahme in einen populären Index wie den S&P 500 oder den NASDAQ-100 automatisch die Nachfrage nach einer Aktie erhöht. Da ETFs Indexwerte replizieren, müssen sie bei Änderungen im Index ihre Bestände entsprechend anpassen.
• Positive Effekte: Aktien, die in einen Index aufgenommen werden, erleben oft Kurssteigerungen, weil ETFs und Indexfonds die Aktie kaufen müssen.
• Negative Effekte: Umgekehrt können Aktien, die aus einem Index entfernt werden, unter Verkaufsdruck geraten.
Dieser Effekt verstärkt sich mit der zunehmenden Dominanz von ETFs, da sie mittlerweile oft den Großteil des Handelsvolumens bestimmter Aktien ausmachen.
3. Marktkonzentration durch beliebte ETFs
Da viele ETFs denselben oder ähnliche Indizes abbilden, wird das Kapital stark konzentriert:
• Wenige große Unternehmen wie Apple, Microsoft oder Tesla machen einen erheblichen Anteil an den populärsten Indizes aus.
• Diese Konzentration bedeutet, dass ein überproportionaler Teil der ETF-Gelder in eine Handvoll Unternehmen fließt, was deren Marktkapitalisierung noch weiter erhöht.
Diese Konzentration birgt Risiken:
• Klumpenrisiko: Wenn eine kleine Gruppe von Unternehmen einen großen Teil eines Index ausmacht, könnten Marktschwankungen diese Werte unverhältnismäßig stark treffen.
• Abkopplung vom realen Wert: Die Bewertung dieser Unternehmen könnte stärker durch ETF-Kapitalflüsse als durch ihre fundamentalen Kennzahlen beeinflusst werden.
4. Volatilität und Liquidität: Zwei Seiten einer Medaille
ETFs werden häufig für ihre Liquidität gelobt, da sie den Handel auch in weniger liquiden Märkten ermöglichen. Doch dieser Mechanismus kann in extremen Marktphasen problematisch sein:
• Verstärkung der Volatilität: In Krisen könnten massive Verkäufe von ETFs die zugrunde liegenden Märkte unter Druck setzen, insbesondere in weniger liquiden Bereichen wie Schwellenländern oder High-Yield-Anleihen.
• Preisdruck in illiquiden Märkten: Wenn ETFs gezwungen sind, große Positionen schnell abzubauen, kann dies die Preise der zugrunde liegenden Vermögenswerte stark beeinflussen.
Chancen und Herausforderungen des ETF-Booms
Chancen
1. Effizienzsteigerung: ETFs haben den Zugang zu Märkten revolutioniert. Anleger können heute mit nur einem Klick in fast jeden Markt oder jede Branche investieren.
2. Kostenvorteile: Durch die passive Nachbildung von Indizes haben Anleger langfristig höhere Renditechancen durch niedrigere Gebühren.
3. Transparenz: ETFs bieten Anlegern klare Informationen über ihre zugrunde liegenden Vermögenswerte.
Herausforderungen
1. Marktverzerrung: Die Fokussierung auf Indizes könnte die Preisbildung verzerren, indem Kapitalströme eher nach Indexgewichtung als nach fundamentalen Werten fließen.
2. Systemische Risiken: In einer Krise könnten ETF-Verkäufe die Volatilität verstärken und Marktverwerfungen verursachen.
3. Weniger aktive Preisfindung: Mit dem Rückgang aktiver Anlagestrategien nimmt die Zahl der Marktteilnehmer ab, die Aktien fundamental bewerten.
Ein Beispiel: Der SPDR S&P 500 UCITS ETF
Der SPDR S&P 500 ETF, einer der größten ETFs der Welt, ist ein Paradebeispiel für die Konzentration von Kapital in populären Indizes. Mit einem verwalteten Vermögen von über 400 Milliarden US-Dollar fließen enorme Geldströme in die Top-500-Unternehmen der USA. Das führt dazu, dass die größten Unternehmen des Index (wie Apple oder Microsoft) überproportional profitieren, was deren Gewichtung weiter erhöht.
Fazit: ETFs – Fluch oder Segen für die Märkte?
ETFs sind zweifellos ein Meilenstein in der Geschichte des Investierens. Sie haben Anlegern Möglichkeiten eröffnet, die früher undenkbar waren, und den Zugang zu den Finanzmärkten demokratisiert. Doch der Boom von ETFs hat auch unbeabsichtigte Konsequenzen für die Preisbildung an den Märkten, von der Konzentration auf wenige Unternehmen bis hin zu möglichen systemischen Risiken.
Für Anleger bleibt es entscheidend, sich der Mechanismen und potenziellen Auswirkungen bewusst zu sein. ETFs sind ein mächtiges Werkzeug, doch wie jedes Werkzeug erfordern sie Wissen und Sorgfalt. Die Zukunft des Marktes wird davon abhängen, wie Anleger, Anbieter und Regulierungsbehörden diese Herausforderungen gemeinsam angehen.
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ETFs und Fonds können im Wert fallen und zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen. Deswegen muss man bei Investments in ETFs und Fonds immer mit seinem Finanzberater Rücksprache halten.
